Ein Reisebericht von Maren Topf-Schleuning: 7 Tage auf der Albatros

Die Anreise

Um fünf Uhr morgens ging es in Fahrgemeinschaften nach Flensburg, von dort mit dem Bus nach Aarhus in Jütland und auf unser Schiff: die „Albatros“, ein Dreimast-Topsegelschoner, 36 Meter lang, 26 Meter Masthöhe, 1942 als Frachtsegler gebaut und später für Erlebnisreisen umgebaut. Der Verein CLIPPER Deutsches Jugendwerk zur See e.V. hat es wie drei andere alte Segelschiffe erworben und restauriert, um junge und jung gebliebene Segelbegeisterte in die Geheimnisse der christlichen Seefahrt auf traditionellen Großseglern einzuweihen, alles ehrenamtlich.

Die Mannschaft

Nachdem sich die Stammcrew, bestehend aus Kapitän, Maschinist, drei Steuermännern und die 17 „Deckshände“ ( Crew ), wie die neun Männer und acht Frauen fortan hießen, sich und das Gepäck auf die drei Kammern - mit sechs bzw. acht Kojen bestückt - verteilt hatten, hieß es Leinen los und es ging bei leichter Brise in die Nachmittagssonne hinaus. Beim ersten Segelsetzen musste die Stammcrew noch viel erklären und eingreifen – aber im Laufe der Woche wurden wir immer selbstständiger und schneller. Immerhin waren bis zu acht Segel (300 m² Segelfläche) unter Bewältigung einer Unzahl (44 !) von Schoten und Tampen verschiedenster Funktionen korrekt zu bedienen.

Wache und Freiwache

Um Großsegel, Schonersegel und Besan mit den schweren Gaffeln (Querbalken) nach oben zu ziehen, mussten schon jeweils sechs Deckshände – also zwölf Arme - möglichst gleichmäßig an den (richtigen) Schoten (Kommando: hol die Piek, hol die Klau, hol die Piek usw…) alle Kraft aufwenden. Später geht es auch mit weniger Kraft und mehr Technik! Und um die Vorsegel zu setzen, mussten einige Mutige angeleint ins Klüvernetz, etwa drei Meter außerhalb des Schiffes, je nach Seegang nicht jedermanns Sache. Viel Kraft kostete auch das Ankerlichten, bei dem ebenfalls vier Leute die Stahlwinde bedienten und in mindestens 20 Minuten mehrfach ausgetauscht wurden. – Nichts mit Elektrowinschen oder motorbetriebener Ankerkette, die ja schon jede mittlere Segelyacht aufweist. Wenn kein „all hands-Manöver” anstand, kümmerte sich jeweils eine Wache, bestehend aus einem Steuermann der Stammcrew, einem Wachführer und fünf weiteren Deckshänden um Segeltrimm, Ruder und Kurs. Jeder musste mal ans Ruder und (mehr oder weniger) den Kurs halten. (Die Fotos davon lassen Charakterstudien zu!) Unsere Stammcrew war sehr geduldig und schimpfte selbst dann nur ein bisschen, wenn am Ende der Reise immer noch Tampen verkehrt herum aufgeschossen oder Klampen falsch belegt waren. Wer gerade keinen Dienst hatte und nicht schlief, sonnte sich oder las an Deck, übte Seemannsknoten oder half bei der Herstellung von „Puscheln“ – Segelschonern aus auszufransenden und zusammenzuknotenden Tampen.

Der Wachplan ist Tradition: sieben drei- bzw. nachts vierstündige Wachen im 24 Stunden Rhythmus, täglich wechselnd, so dass jeder mal mit der 0-4 Uhr Wache bzw. der 4-8 Uhr Wache dran ist. Die Wachmannschaft blieb den Törn über zusammen und teilte auch die Kammer, um nachts nicht das ganze Schiff zu wecken, bzw. zur selben Zeit das Schlafdefizit auszugleichen. Das hatte man nämlich nach kurzen, unterbrochenen Nächten in engen und für manchen zu kurzen Kojen mit sanftem Schaukeln und ungewohnten Geräuschen (incl. unbekannter Schnarchtöne und der ‚Flugzeugtoilette’ – der neuesten Errungenschaft der „Albatros” und einzigem Zugeständnis an die moderne Technik).

Die Kombüse

Aber schnell sprach sich herum, dass der anstrengendste Job an Bord in der Küche war. Jede Wache stellte pro Tag eine/n Mann/Frau in die sog. „Backschaft“ ab, wo unter Leitung des – eigentlich zur Stammcrew gehörenden – Schiffskochs täglich vier Mahlzeiten für 22 Personen in einer winzigen Kombüse (natürlich ohne Geschirrspüler) zuzubereiten waren, dazu auf die Minute pünktlich, mit den Wachdiensten abgestimmt. Da unser Schiffskoch sich auf der Hinfahrt den Fuß verstaucht hatte, sprang eine von uns ein und übernahm die Aufgaben des Kochs. Die jeweilige Backschaft übertrumpfte sich gegenseitig darin, aus den mitgebrachten (haltbaren) Zutaten etwas Abwechslung in den vorgeschriebenen Speiseplan zu bringen und vor allem herrliche Blechkuchen zu backen. (Als ich eines Morgens nach Nachtwache, Ankerlichten und Segel setzen unsere drei stärksten Männer beim Frühstück machen sah, kam mir ungewollt der Gedanke an die Grenzen der Emanzipation beim Traditionssegeln.)

Eine tolle Woche

Das Wetter spielte die ganze Woche mit – wer wollte, konnte in der 14 Grad kalten Ostsee baden oder in den 26 m hohen Mast klettern. Der Wind hätte auch einmal stärker sein dürfen, dafür ist Flautensegeln herrlich entspannend. Drei dänische Hafenstädtchen haben wir angelaufen (schon wegen der Duschen). In einer Bucht ankern oder Nachtsegeln waren die Alternativen. So blieb der Törn abwechslungsreich und am letzten Tag in Flensburg angekommen, nahmen wir stolz vom Kapitän unseren Segelpass mit 224 neuen Seemeilen entgegen. Alle kleinen Entbehrungen waren nichts gegen das Erlebnis der Kameradschaft auf See, die Auseinandersetzung mit den ungewohnten Handgriffen und die Beobachtung von Wind und Wellen. Durch das Eintauchen in eine ganz andere Welt blieb für Gedanken an den Alltagsstress schlicht kein Raum. So kamen wir trotz leichten Schlafdefizits völlig erholt zu Hause an.