Reisebericht: Törn 3830 Albatros

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Törn-Nr. 3830
Schiff: Albatros
Beginn: 17.05.2025
Ende: 24.05.2025

Starthafen: Wismar
Zielhafen: Wismar

Moin,

Muriel hier, ich möchte Dir von meiner letzten Woche berichten. Was du kennst mich noch nicht? Warst du etwa noch nie auf der Albatros segeln?
Da wohne ich. Wo ich da wohne, fragst du dich? Na im Wellentunnel – ich bin doch der Maschinen-Marder.
Ich bin allerdings etwas schüchtern und der Trubel an Deck ist mir meist zu stressig, deshalb komme ich da auch äußerst selten raus.
Was man so als Maschinen-Marder den ganzen Tag lang macht? Na lies doch selbst:

So war mein letzter Törn: Nach einer langen Woche im Wismarer Hafen – fast langweilig war die – fing es plötzlich Samstagvormittag an über mir zu rumpeln, so viel Lärm bin ich nach dem langen Winter gar nicht mehr gewohnt.
18 Landratten, die sich selbst als „segelbegeistert“ bezeichnen, kamen an Bord. Nach einigem Hin und Her an Deck – das ist das, was ich bis dahin hörte – wurde es laut hier unten. Die Maschine lief mal wieder. Juhuu! Vibration, Krach und Dieselgeruch um mich herum, was gibt es Schöneres? Die Landratten zogen dann die Segel hoch, das heißt eine Pause für mich. Und wie verbringt man die am Besten? Na mit einem Cocktail in der Hängematte! Komm doch gerne mal auf ein Glas vorbei, dann gibt’s Rezept-Tipps.
Es ratterte auf einmal so doll, dass ich aus meinem Dösen aufschreckte. Huch, klock, klock, klock, klock, klock, Kettenglied für Kettenglied rauschte die Ankerkette bis auf den Meeresgrund. Wo wir waren? Das weiß ich doch nicht. Vielleicht schaue ich morgen mal an Deck, alles mit seiner Zeit. Der Generator – ich denke, die haben Abendessen gekocht – wiegte mich mit seinem Brummen langsam in den Schlaf.

Der Sonntag startet früh um 7:00 Uhr. Tsssssch, brrrrr, klack, brrrr, klack, Gestöhne, klack, ganz aus der Puste hörten die sich die Landratten oben an. Anker auf also.
Dann fingen die Wellen an, also natürlich nicht die im Wellentunnel, sondern das Geschaukel. Ich habe mich hoch getraut und einmal aus der Luke gespäht. Wunderbarer Sonnenschein, aber nicht in allen Gesichtern, der Ein oder Andere hat das Geschaukel nicht so gut vertragen. Also war es wohl kein guter Tag für ein Kennenlernen. Die Kombüse war leer, ich hatte also genug Zeit mir heimlich ein leckeres Käse-Schinken-Brot aus der Kombüse zu stibitzen. Es ging wellig weiter bis bei bestem Sonnenuntergang der Anker klock, klock, klock, klock, klock wieder fiel.

Nachts fröstelte es mir ein wenig, als mich ein rotes Blinken und eine etwas verschlafene Maschinistin weckte. Ganz schlaftrunken verabredeten wir beide, dass es bald Zeit wäre die Crew kennenzulernen. Ob wir das beide nur geträumt haben oder nicht, wissen wir nicht mehr. Also war es Montagmorgen dann so weit. Ich schmiss mich in meine beste Latzhose, setzte mir meinen Aus- ähh ich meine Aufgeh-Hut auf und wechselte sogar meinen ollen Öllappen gegen einen strahlend Weißen. Man will ja einen guten Eindruck machen bei so einem ersten Kennenlernen. Ein bunter Haufen war das, also nicht äußerlich, da trugen die meisten diese roten oder schwarzen Jacken mit neongelben Kapuzen. Komischen Modegeschmack haben die. Mein Motto lautet da, es geht doch nichts über einen roten Strickpulli und die Latzhose. Wenn es regnet kriech ich halt unter Deck, irgendjemand muss ja an die Lenzpumpe und schauen, dass die ordentlich läuft.
Aber zurück zum Kennenlernen, so freudig wurde ich selten begrüßt. Besonders gefallen haben mir diese Jünglinge, denen durfte ich mein Leid klagen. Endlich nahm jemand ernst, dass das Werkzeug im Maschinenraum einfach ein wenig zu groß für mich ist. Was glaubst du, weshalb ich so viel Zeit an meinem Lieblingsort, der Hängematte, verbringe? Hast du schon mal einen Schraubenschlüssel gehoben, der fast genauso groß ist wie du selbst? Ab da fing der Törn an, richtig Spaß zu machen.
Ein solches Glücksgefühl befiehl mich, als ich meinen ersten mardergerechten Schraubenschlüssel in der Hand hielt. Es folgten Schraubendreher, Hammer, Stechbeitel und leider auch ein Handfeger. Jetzt habe ich doch keine Ausrede mehr, wenn ich nicht aufräume. Aber was soll ich sagen, ich hatte selten einen so guten Tag außerhalb meines Wellentunnels.

Als die Crew am nächsten Tag in Travemünde angelegt hatte, war endlich Zeit zum Abschmieren. Niemand an Bord mit dem ich mich festquatschen konnte. Ich habe doch den Abend davor so viele Stunden an Deck verbracht. Die Landratten verbrachten ihren Vormittag in ihrem natürlichen Terrain und erkundeten ein wenig die Gegend. Sie erzählten beim Mittag von einem anderen Segelschiff, der Passat. Mannomann war die riesig, ich hatte bei unserem Ablegemanöver unter Segeln Zeit, da keine Maschine gebraucht wurde – schön, wenn sie ihren Kram auch mal alleine hinkriegen. Für einen besseren Blick auf die Passat kletterte ich auf den Besan. Dabei fiel mir doch glatt mein Hammer und fast auch noch der Schraubendreher aus meiner Latzhose. Wie soll man auch mit so viel neuem Werkzeug umgehen? Die Jünglinge schlugen schließlich vor, sich diesem Problem anzunehmen und eine Werkzeugkiste zu fertigen. Ein Traum! So wenig lag ich noch nie während eines Törns in meiner Hängematte. Es ist einfach so viel passiert. Ich löste mit den Landratten Kreuzworträtsel, aß Pfannkuchen mit Schinken und Käse und hatte einen Cocktail-Abend im Hafen von Wismar. Dort lagen wir noch die letzten zwei Tage, da es draußen auf der Ostsee stürmte. Aber wir haben uns in bester Gesellschaft die Zeit vertrieben. Das kleine Segel-Beiboot Malamok wurde zu Wasser gelassen und ein paar Mutige trauten sich zu segeln. Ich glaube, die haben das nicht ganz verstanden, man muss doch erst den Stöpsel reinstecken, dann muss man auch weniger Wasser schöpfen.

Ich freu mich schon auf die diesjährige Saison. Hoffentlich kommen viele weitere Crews, die so viel Lebensfreude mit an Bord bringen.

Bis bald! Muriel, der Maschinen-Marder